"Vieles an diesem Tag war ein Geschenk"

Der Pilot des 2004er-Meisterflugzeugs Markus Joost im Interview

Markus Joost steigt aus dem Flugzeug.
Raus aus dem Flugzeug: Markus Joost erlebte vor 20 Jahren einen unvergesslichen Arbeitstag (Foto: privat).
Interview
Mittwoch, 08.05.2024 / 15:30 Uhr

Das Interview führte Moritz Studer

Eigentlich wollte Markus Joost das Auswärtsspiel des SV Werder beim FC Bayern am 8. Mai 2004 beim Public Viewing genießen. Doch es kam anders, denn tatsächlich wurde er ein heimlicher Protagonist. Joost arbeitete damals als Pilot bei der Ostfriesischen Lufttransport GmbH (OLT), die mit dem SV Werder kooperierte und die Grün-Weißen über viele Jahre zu entfernteren Auswärtsspielen flog. An diesem historischen Tag der Vereinsgeschichte forderte der SVW vormittags eine größere Maschine an. Spontan wurde eine Crew um Joost rekrutiert, die mit einem leeren Flugzeug in Bremen losflog, um die spätere Meistermannschaft zurück an die Weser zu bringen. Im WERDER.DE-Interview erinnert sich der 56-Jährige an einen Arbeitstag, den er in seinem Leben nicht mehr vergessen wird.

WERDER.DE: Moin Herr Joost, wann ist ihnen am 8. Mai 2004 bewusst geworden, dass dieser Flug nicht die normale Routine, sondern der unvergesslichste Tag ihres Berufslebens wird?

Markus Joost: Auf dem Fahrrad auf dem Weg zum Flughafen – so komisch das klingt (lacht). Werder hat damals super gespielt und ist verdient Meister geworden. Es lag durchaus in der Luft, dass sie auch gegen die Bayern gewinnen. Als die Besatzung an diesem Tag aus dem Frei zusammentelefoniert wurde, haben wir uns gefragt, was wir machen, wenn es denn was zu feiern gibt? Wir haben als Crew erst in Bremen und dann in München geübt, eine Fahne aus der Luke in der Decke des Flugzeugs zu halten. Das haben wir zuvor noch nie gemacht und sollte später noch wichtig werden…

WERDER.DE: Wir sprechen von einer Zeit, in dem es noch keine Smartphones gab. Wie haben sie davon erfahren, dass sie gleich tatsächlich eine Meistermannschaft in Empfang nehmen?

Markus Joost: Während des Spiels waren wir im Anflug auf München. Um 20 nach 5 sind wir gelandet, als im Olympiastadion gerade Schluss war. Ich rechne dem bayrischen Fluglotsen in München bis heute hoch an, dass er uns in Empfang nahm und sagte: ‚Herzlichen Glückwunsch, ihre Mannschaft ist Deutscher Meister.‘

WERDER.DE: Da sitzen Sie also nun in ihrem Cockpit mit jungen Sportlern, die den größten Erfolg ihrer Karriere feiern. Wie ausgelassen haben die Insassen ihren Triumph in der Luft denn gefeiert?

Markus Joost: Wir kannten die Mannschaft schon über die letzten Jahre, die nun aber mit ihrer Feierlaune zum Flughafen kam. Wenn Sie im Cockpit Gesänge hören, die Sie sonst nur aus der Ostkurve kennen, dann wissen Sie, dass heute was anders ist. Das Schöne an diesen Charterflügen ist, dass die Mannschaft hier in ihrem geschützten Raum war und trotz der Freude eine gewisse Ruhe hatte.

Sowohl Fußball als auch das Fliegen sind Teamsport, den wir als ganze Crew geleistet haben
Markus Joost

WERDER.DE: Währenddessen machten sich in Bremen wiederum mehrere Zehntausend Menschen auf den Weg zum Flughafen.

Markus Joost: Deswegen wollte der Flughafen Bremen, dass wir so schnell wie möglich losfliegen. Denn dort war schon die Hölle los. Das haben wir dann auch an die Mannschaft weitergeben, die unglaublich gestaunt hat, dass da schon so ein Menschenauflauf ist. Damals konnte aber noch jeder ins Cockpit kommen. Ich erinnere mich daran, dass Ailton ein großer Flugzeug-Fan und oft vorne bei uns war.  

WERDER.DE: In ihrem Berufsleben haben Ihnen vermutlich nie mehr Menschen bei einer Landung zugeschaut wie an diesem Tag. Wie froh waren Sie, als der Job erfolgreich erledigt war?

Markus Joost: Das war eine Mischung aus Dankbarkeit, Zufriedenheit und Stolz, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben. Sowohl Fußball als auch das Fliegen sind Teamsport, den wir als ganze Crew geleistet haben. Als sich mein damaliger Chef, der leider mittlerweile verstorben ist, mit der Fahne auf den Weg zur Luke machte und sie öffnete, war das natürlich erklärungsbedürftig. Nach seiner Erklärung fragte er Thomas Schaaf, ob er sich nicht vorstellen könnte, die Fahne aus dem Flugzeug zu halten – und der Rest ist Geschichte. Denn das Bild, wie Herr Schaaf mit der Fahne aus dem Flugzeug guckt, ist zumindest in Bremen weltberühmt.

WERDER.DE: Gibt es ein Andenken von diesem besonderen Tag, das sie bis heute aufbewahrt haben?

Markus Joost: Ich hätte es gerne, habe aber leider nichts. Als einer der Zäune vor dem Flugzeug eingerissen wurde, haben die Menschen die Maschine geentert und alle Mitbringsel mitgenommen – der Flieger war noch nie so leer. Ich erinnere mich an eine Szene, in der ein Fan die Nase der Maschine küsste und ein anderer gegen den Reifen pinkelte. Als die Leute auf das Flugzeug zuliefen, war das schon nochmal eine Schrecksekunde. An diesem Tag musstest du das aber passieren lassen und einfach mitspielen. Während des Fluges haben wir als Crew unseren Job gemacht und konnten diese Situation nicht in vollen Zügen genießen. Jetzt im Nachhinein ist es aber schön, sich gemeinsam zu erinnern.  

WERDER.DE: Und genau diese Erinnerungen bleiben. Wir danken Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Joost.

 

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