"Es sind die einzelnen Spiele, die Highlights, wo es kribbelt"

Gegnerinterview mit Martin Harnik vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart

Martin Harnik im Trikot des VfB Stuttgart. Er läuft mit dem Ball am Fuß auf Theodor Gebre Selassie zu.
Elf Mal spielte Harnik in seiner Karriere mit dem VfB gegen Werder (Foto: nordphoto).
Profis
Samstag, 20.04.2024 / 10:00 Uhr

Das Interview führte Fiona John

Als Martin Harnik für das Interview mit WERDER.DE den Hörer abnimmt, ist er gerade auf dem Weg nach Hause, um mit Max Kruse eine neue Folge ihres gemeinsamen Podcasts „Flatterball“ aufzunehmen. Darin sprechen die beiden Ex-Werderaner unter anderem über ihren Karriereweg, der Harnik auch zum VfB Stuttgart führte. Sechs Jahre lief der 36-Jährige zwischen seiner ersten und zweiten Amtszeit bei den Grün-Weißen für die Schwaben auf. Wie er die Entwicklung beider Vereine in dieser Saison sieht, welche Rolle er nun im Anschluss an seine Karriere einnimmt und wem er am Wochenende die Daumen drückt, verriet der Angreifer im Gespräch.

WERDER.DE: Moin Martin, wie sind Max und du eigentlich auf die Idee gekommen, einen Podcast zu machen?

Martin Harnik: Ich lag Max damit schon länger in den Ohren, auch während er noch selbst aktiv war. Ich habe immer gesagt, wir müssen unsere Geschichte mal erzählen. Es gibt heutzutage ja nur noch sehr wenige Beispiele, die ihren Weg so gegangen sind, wie wir. Dass wir es beide aus einem Verein, aus einer Mannschaft in die jeweiligen Nationalmannschaften geschafft haben – und das auf so unterschiedliche Art und Weise -  ist ganz besonders. Max und ich sind ja sehr unterschiedliche Typen. Das macht diesen Mix total spannend und interessant.

WERDER.DE: Teil eurer gemeinsamen Geschichte ist ja der Weg zu Werder, wo ihr beide den Sprung zu den Profis geschafft habt. Wie war das für euch?

Martin Harnik: Das war damals für uns ein großer Schritt von zuhause auszuziehen und in eine fremde Stadt zu kommen. Da war es ein Vorteil, dass wir uns hatten und in den ersten Monaten nicht allein dastanden. Es war eine große Herausforderung, wir wurden bei Werder aber von Tag eins super unterstützt und hatten alle Möglichkeiten. Bei der Wohnungssuche, aber auch bei unseren kaufmännischen Ausbildungen, die wir im Stadion machen konnten. Dementsprechend war es ein großes Abenteuer aber auch eine gute Zeit.

WERDER.DE: Ihr plaudert in euren Podcast ja nicht nur aus dem Nähkästchen, sondern nehmt auch eine Expertenrolle ein, die du zuletzt auch im TV innehattest. Siehst du dich auch zukünftig in diesem Bereich?

Martin Harnik: Ich gehe darin immer mehr auf. Ich bin für Sport1 Experte in der zweiten Liga. Für Servus TV werde ich bei der Europameisterschaft die Deutschlandspiele begleiten. Bei mir geht es gar nicht um taktische Expertise und Fachwissen, sondern um die Spielerperspektive. Um die Sicht auf dem Platz, die Wahrnehmung, die Emotionen und die Themen, die ein Spieler hat. Diese Expertise kannst du nur haben, wenn du sie selber erlebt hast. Ich würde mich jetzt nicht an die Taktiktafel stellen, um den Fans eine Formation oder einen Spielzug zu erklären. Da sehe ich nicht meine Stärke, sondern eher auf dieser mentalen und fachlichen Ebene, was Entscheidungen und Feinheiten angeht.

WERDER.DE: Das ist eine spannende Rolle. Wir haben dich hier natürlich auch als Experte eingespannt. Werder und Stuttgart kennst du ja beide sehr gut.

Martin Harnik: Das stimmt. Es sind natürlich zwei sehr unterschiedliche Saisonverläufe. Stuttgart ist im absoluten Höhenflug und die Bremer immer noch ein bisschen im Abstiegskampf. Sportlich hätten es für Werder ein paar Punkte mehr sein können. Wenn man die beiden Vereine vergleicht, gab es mit Marvin Ducksch und Niclas Füllkrug im letzten Jahr eine ähnliche Konstellation, wie jetzt bei Deniz Undav und Serhou Guirassy. Da konnte passieren was wollte, die zwei haben immer getroffen. Diesen Höhenflug hat Werder eben aktuell nicht, dementsprechend unterschiedlich sind die Ergebnisse und die Tabellensituation.

WERDER.DE: Höhenflug ist ein passendes Stichwort. Was macht Stuttgart aus deiner Sicht so erfolgreich?

Martin Harnik: Beim VfB kommt alles zusammen, was zusammenkommen muss, um so eine Saison zu spielen. Sie haben einen super Trainer, der es versteht diese Mannschaft einzustellen, aufzustellen und bei Laune zu halten. Dazu kommen Spieler, die in diesem Jahr reihenweise explodieren. Es sind ja nicht nur ein, zwei Überflieger, sondern eher fünf oder sechs Jungs, die die beste Saison ihrer Karriere spielen. In jedem Verbund, hat der VfB seine Schlüsselspieler, die einfach performen. Das ist natürlich ein Momentum und ein Lauf, wo dann alles funktioniert.

Natürlich freuen wir uns alle, dass es einen anderen Meister gibt als Bayern. Aber am meisten freuen sich viele über die Art und Weise...
Martin Harnik

WERDER.DE: Letztes Jahr rettete sich der VfB in der Relegation gerade noch vor dem Abstieg, in diesem Jahr hat sich das Team bereits jetzt schon die Teilnahme am internationalen Geschäft gesichert. Du hast in deiner Zeit in Stuttgart von Europa League bis Abstieg selbst alles erlebt. Wie war das damals?

Martin Harnik: Es war eine intensive Zeit. Ich habe vom Pokalfinale über die Europa League bis zum Abstieg alle Facetten kennengelernt. Dementsprechend sind die Erinnerungen negativ wie positiv. Am Ende des Tages hat diese Stadt und dieser Verein mit den Fans das Potenzial, Champions League zu spielen. Der Verein ist keine Eintagsfliege. Wenn sie das hinbekommen, weiter so zu arbeiten, werden sie sich da oben halten.

WERDER.DE: Beim letzten Mal, als Stuttgart international aufgelaufen ist, warst du noch dabei. Freut es dich, dass Stuttgart es zum ersten Mal wieder geschafft hat?

Martin Harnik: Ja, auf jeden Fall. Unabhängig von meiner Vergangenheit dort freue ich mich über den Fußball, der beim VfB gespielt wird. Erfolgreich ist das eine, aber die Art und Weise, wie Stuttgart Fußball spielt, ist klasse anzuschauen. Das gilt auch für Leverkusen. Natürlich freuen wir uns alle, dass es einen anderen Meister gibt als Bayern. Aber am meisten freuen sich viele darüber, wie Leverkusen es geschafft hat und wie der VfB Stuttgart vielleicht sogar Vizemeister wird.

WERDER.DE: In deinem Podcast hast du gesagt: „Ich habe die Bühne geliebt. Gucke gerne noch Sachen von früher an und wehmütig bei großen Spielen zu, weil die Emotionen immer etwas Besonderes bleiben“ – Sind das aktuell solche Spiele?

Martin Harnik: Es sind wirklich die einzelnen Spiele, die Highlights, wo es kribbelt. Der Bundesliga-Endspurt, die Meisterfeier von Leverkusen oder auch die Europameisterschaft, die vor der Tür steht. Das sind die Emotionen, die einfach besonders sind. Der Bundesligaalltag, die Arbeit und der Aufwand zwischen den Spielen, ist es weniger. Ich würde nicht sagen, so eine ganze Saison beim VfB wäre schön. Natürlich ist es positiv, aber es ist eben auch ein Job. Ein Job, den ich gut und gerne hinter mir gelassen habe.

Es wäre schön, wenn da relativ schnell der Deckel drauf ist.
Martin Harnik

WERDER.DE: Stattdessen spielst du in der Oberliga Hamburg beim TuS Dassendorf und hast dort gerade erst deinen Vertrag verlängert. Was macht für dich diesen Reiz aus?

Martin Harnik: Es ist der Reiz des Fußballspielens. Egal ob in der Oberliga oder irgendwo anders. Ich habe einfach noch Spaß am Fußball, am Gewinnen und ärgere mich noch unfassbar über Niederlagen. Solange ich diese Emotionen noch in mir habe, gesund bin und mich nicht mit Schmerzmitteln präparieren muss, solange werde ich Fußballspielen.

WERDER.DE: Springen wir zurück zum kommenden Spiel. Wem drückst du am Wochenende die Daumen?

Martin Harnik: Werder. Zum einen, weil ich glaube, dass sich der VfB sicher für die Champions League qualifizieren wird. Zum anderen, weil Werder die Punkte einfach dringender braucht. Es wäre schön, wenn da dann relativ schnell der Deckel drauf ist, was den Klassenerhalt angeht und man dann ruhig in die Planung der nächsten Saison starten kann.

WERDER.DE: Vielen Dank für das Gespräch, Martin!

 

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