Ecke, Pfosten, Torwart-Tor

Geschichten zum 1.000. Bundesliga-Heimspiel im wohninvest WESERSTADION

Ein Flutlichtmast scheint auf das sonst dunkle wohninvest WESERSTADION.
Beim Eröffnungsspiel der Saison 2004/05 fiel 65 Minuten der Strom aus (Foto: nordphoto).
Profis
Freitag, 03.05.2024 / 17:30 Uhr

Von Fiona John

Am Wochenende wird das wohninvest WESERSTADION einen großen Meilenstein durchbrechen: Wenn der SV Werder am Samstagnachmittag, 04.05.2024 um 15:30 Uhr, Borussia Mönchengladbach empfängt, wird er sein 1000. Bundesliga-Heimspiel in seiner historischen Spielstätte austragen. Damit ist es das erste Stadion, in dem ein einziger Klub diese große Marke bricht. WERDER.DE wirft einen Blick auf historische Ereignisse, die die Fußball-Welt nicht vergessen wird. Im zweiten Teil ist zwischen Jubel und Frust von der ersten bis zur letzter Minute alles dabei (hier entlang zu Teil eins).

Der Eine aus 40: Es war dieser eine von 40 Elfmetern in seiner Karriere, den Michael Kutzop vergab. Dieser eine Elfmeter, der den SV Werder zur zweiten Meisterschaft in der Vereinsgeschichte geführt hätte. Damals, am 33. Spieltag der Saison 1985/86, als Werder im Heimspiel auf den FC Bayern München traf, galt noch die Zwei-Punkte-Regelung. Als Tabellenführer ging der SVW mit zwei Punkten Vorsprung in das direkte Duell mit den Münchnern, ein Sieg wäre gleichbedeutend mit dem Meistertitel gewesen. Als Bayern-Profi Sören Lerby das Leder in einer ansonsten ereignisarmen Partie kurz vor Schluss ins Gesicht bekam, reklamierte Rudi Völler auf Handspiel – und wurde belohnt. Zum Greifen nah ist die Meisterschaft beim Anlauf von Kutzop, der noch nie vom Punkt vergeben hatte. Bis zu diesem 22. April 1986, an dem er den Ball aus elf Metern an den Pfosten setzte. Noch allen in der eigenen Hand vergab der SVW eine Woche später jedoch dem Matchball beim VfB Stuttgart und unterlag mit 1:2, während sich der FC Bayern mit einem 6:0-Sieg die Meisterschaft aufgrund des besseren Torverhältnisses sicherte.

Baslers Kunststücke: Die Saison 1994/95 war für Mario Basler von besonderem Erfolg gekrönt. Der damals 26-Jährige schoss sich mit 20 Treffern zum geteilten Torschützenkönig (gemeinsam mit Heiko Herrlich). Davon waren gleich zwei Tore eine Seltenheit in der Bundesliga: direkt verwandelte Ecken. Im Heimspiel am 10. März 1995 überlistete er gleich in der zweiten Spielminute Freiburg Keeper Jörg Schmadtke und zirkelte den Eckstoß in den Winkel. Der Türöffner für den späteren 5:1-Erfolg der Grün-Weißen. Wenige Monate zuvor war ihm dieses Kunststück bereits schon einmal gelungen: Auch beim 2:0-Auswärtssieg gegen den MSV Duisburg verwandelte er eine Ecke direkt. Er selber erklärte später, dass diese Tore keine Absicht gewesen seien und es ein Zusammenspiel aus Schusstechnik und Glück war.

Der Ball lag auf einmal da und ich habe ihn einfach mit dem Vollspann reingehauen.
Frank Rost

Schlussmann in bester Stürmermanier: Es lief die 90 Minute des Nordduells Werder gegen Hansa Rostock. Für den SVW, der zu diesem Zeitpunkt 2:3 hinten lag, gab es noch einen Eckball. Werder-Keeper Frank Rost war mit nach vorne geeilt und bekam das Leder vor die Füße. „Der Ball lag auf einmal da und ich habe ihn einfach mit dem Vollspann reingehauen“, beschreibt der Schlussmann die Szene für die Ewigkeit. Als erst zweitem Torhüter in der Bundesliga-Historie nach Jens Lehmann ist ihm ein Treffer aus dem Spiel gelungen. Doch mit einem Unentschieden sollte das Spiel damals nicht enden: Ailton versenkte in der Nachspielzeit einen Elfmeter zum 4:3-Sieg der Grün-Weißen.

100(0) Spiele wie im Märchen

Und dann gingen die Lichter aus: Als Meister der Vorsaison hatte der SV Werder in der Spielzeit 2004/05 die Ehre, das Eröffnungsspiel auf heimischen Rasen auszutragen. Die Spieler des SVW und Schalke 04 standen schon im Kabinengang, als drei Minuten vor dem Anpfiff plötzlich die Lichter ausgingen. Auch die Fernsehbildschirme waren schwarz, lediglich das Flutlicht im fast ausverkauften wohninvest WESERSTADION brannte noch. Schnell machte sich das Gerücht breit, ein Bagger hätte eine Stromleitung durchtrennt. Später stellte sich heraus, dass eine durchgebrannte Starkstrommuffe – bekannt als Muffe Karola – für den 65-minütigen Stromausfall verantwortlich war. Um 21:35 pfiff Schiedsrichter Stefan Trautmann die Partie bei Notstromversorgung an. Kommentiert wurde per Telefon, auf den Fernsehern gab es zumindest ein Kamerabild. Es dauerte bis zur 83. Minute, ehe Nelson Valdez die Partie für den SVW entschied – und um 23.15 Uhr das spätestes Tor der Bundesliga-Geschichte erzielte.

Hundert Spiele wie im Märchen: Seit dem ersten Bundesliga-Nordderby im Oktober 1963 gab es zahlreiche Partien zwischen dem SV Werder und dem Hamburger SV, die in Erinnerung blieben. Zum Beispiel das Spiel 1988, als die Werderaner trotz Niederlage im heimischen Stadion vor dem großen Konkurrenten die Meisterschale in die Luft recken durften, genauso wie der legendäre 6:0-Heimsieg in der Doublesaison. In der Spielzeit 2013/14 fand das 100. Nordderby in der Bundesliga statt. Ein geschichtsträchtiges Duell, denn keine andere Begegnung hatte es zu diesem Zeitpunkt im deutschen Oberhaus so oft gegeben. Für diesen besonderen Anlass präsentierten die Werder-Fans über die gesamte Ostkurve des wohninvest WESERSTADIONs eine zehnminütige Choreo mit dem Titel „Hundert Spiele wie im Märchen“. Das Jubiläumsduell blieb bis zum Ende umkämpft, das frühe Führungstor von Zlatko Junuzovic in der 19. Minute sollte aber das einzige an diesem Tag bleiben und bescherte dem SVW den Derbysieg.

Die späte Erlösung: 88 Minuten hat es gedauert, bis Papy Djilibodji für den Moment einer durchwachsenen Saison 2015/16 sorgte. Werder steckte bis zum letzten Spieltag im Abstiegskampf und brauchte im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt einen Sieg, um sicher die Klasse zu halten. Dafür hatte sich unter dem Motto #greenwhitewonderwall, das eine Fangruppierung im Laufe der Saison ins Leben rief, an diesem 14. Mai 2016 die ganze Stadt in Grün und Weiß geschmückt. Tausende Fans waren schon vor dem Spiel am wohninvest WESERSTADION, um den Mannschaftsbus zu empfangen und den Werderanern eine extra Motivation mit auf den Weg zu geben. Das Engagement wurde belohnt: Nach fast 90 Minuten zähem Abstiegskampf drückte Djilobodji das Leder über die Linie und sorgte für einen Jubelsturm, der kein Halten mehr kannte. Auf dem Platz feierten Spieler und Fans gemeinsam das erreichte Ziel: Klassenerhalt.

 

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